Ennio Brandt

Wissenschaft im Netz der Desinformation: Die Rolle von digitalen Medien und KI

Wissenschaft ist zunehmend Anfeindung in Form von strategischer Infragestellung und organisierten Delegitimierungsversuchen ausgesetzt – etwa im Kontext von Klimaforschung, Pandemiebewältigung oder Geschlechterfragen. Dabei gerät nicht nur wissenschaftliche Erkenntnis selbst, sondern die Idee von Wissenschaft als vertrauenswürdiger Zugang zur Wirklichkeit unter Druck.
Der Vortrag widmet sich einer spezifischen Form organisierter Wissenschaftsfeindlichkeit, die ich als strategische Konstruktion epistemischer Unwirklichkeit bezeichne. Darunter verstehe ich die gezielte Erzeugung und Verbreitung von Desinformation, die sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse bezieht, mit dem Ziel, deren Geltung, Autorität oder Relevanz zu unterminieren.
Im Zentrum stehen dabei digitale Medien als Verbreitungskanal – sowohl für fragmentierte, emotional aufgeladene Mikro-Desinformation als auch für komplexe, ideologisch aufgeladene Desinformationsnarrative. Dabei werden Unterschiede in Motivlagen und Strategien herausgearbeitet und anhand des Falls der aktuellen Klimawandelleugnung exemplarisch vertieft.
Besonderes Augenmerk gilt der Rolle Künstlicher Intelligenz, die als technologischer Verstärker Desinformation effizienter, skalierbarer und emotional anschlussfähiger machen kann – etwa durch automatisierte Inhaltserstellung, Deepfakes und anderweitige Fakes, Bot-Netzwerke sowie gezielte Instrumentalisierung von KI-Modellen.
Abschließend werden die potenziellen Auswirkungen solcher epistemischen Angriffe auf affektive Polarisierungsprozesse und auf die gesellschaftliche Fähigkeit zur gemeinsamen Wirklichkeitskonstruktion diskutiert.  

Ennio Brandt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Derzeit bereitet er seine Promotion zum Thema organisierte Wissenschaftsfeindlichkeit – Desinformationsstrategien in digitalen Medien vor. Das Dissertationsvorhaben ist mit den Projekten KAPAZ (Kapazitäten und Kompetenzen im Umgang mit Hassrede und Wissenschaftsfeindlichkeit) sowie DiTraP (Disziplinenspezifische Wissenstransferpraktiken) verknüpft, in denen er mitarbeitet.
Zuvor studierte er Soziologie (B.A.) in Göttingen sowie Global Studies (M.A.) in Roskilde und Wrocław.
Seine Forschungsschwerpunkte sind Desinformation, Populismus, gesellschaftliche Polarisierung, Wissenschaftskommunikation und digitale Medien.